Eine Reise nach Lodz

Sie sind hier:  Startseite > Austausch > Lodz 2012 > Bericht

Bericht

 

„Es bleibt ein Gefühl von Trauer, Schrecken und Unverständnis.“

Schüler der BBS II Emden mit der Max-Windmüller-Gesellschaft in Lodz

Mit einer Fülle von Eindrücken und intensiv Erlebtem sind siebzehn Schüler der BBS II Emden zurückgekehrt aus Lodz in Polen. Die Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 11 und 12 des Beruflichen Gymnasiums der BBS II Emden waren zwischen dem 20. und 27. Mai in Polen auf der Suche nach den Spuren der letzten Juden aus Ostfriesland, die im Oktober 1941 nach Lodz deportiert worden waren. Begleitet wurden sie auf ihrer Suche von Schülern der Szkola Europejska aus Lodz.

 

  Vor dem Staatsarchiv in Lodz

Neben den Eindrücken von den letzten Lebensstationen der ostfriesischen Juden im Getto Litzmannstadt  nahmen die Emder Schüler teil am Unterricht der Europäischen Schule Lodz (Szkoła Europejska Łódź ). Die Deutschlehrerinnen Agnieszka Swica und Katharina Rebak organisierten den Austausch mit den deutschen Schülern, die zur Hälfte bei Gasteltern untergebracht waren. Im Jahr 2013 werden die polnischen Schüler mit ihren beiden Lehrerinnen Emden besuchen. Neben der Erfahrung in der polnischen Schule standen eine Reihe von sportiven Veranstaltungen auf dem Plan.

Die Reise wurde gefördert durch die Stadt Emden und das Deutsch-Polnische Jugendwerk. Begleitet wurde die Gruppe von Hans Christian Bauer von der Stadtbibliothek Emden, der als Dolmetscher fungierte. Organisiert hat die Reise Dr.Rolf Uphoff als Vorsitzender der Max-Windmüller-Gesellschaft. Gero Conring begleitete seine Schüler als Geschichtslehrer an der BBS II Emden. 

 

 

antje zents  Antje Zents, Emden
Für mich war es eine sehr traurige, aber auch interessante und schöne Woche.  lch hatte eine wundervolle Gastfamilie und habe erfahren, dass viele polnische Menschen sehr gastfreundlich und offen sind. Solche Fahrten sollte man öfter machen und es ist immer wieder wichtig, diesen Teil unserer Vergangenheit zu bearbeiten, damit die Menschen daraus lernen. Außerdem ist es auch für die Erforschung der Geschichte der Emder Juden ein wichtiger Schritt gewesen, diese Fahrt zu machen. lm Archiv fand ich eine Postkarte von Aaron van der Walde. Das war ein Moment, in dem ich eine Gänsehaut bekam und mir klar wurde, wie wichtig es ist, was wir taten und das es Zeit wurde, diese letzten Lebenszeichen zu entdecken.



gesa conring  Gesa Conring, Norden
Gedenkstätte Radegast
Es fühlt sich unbehaglich an, in dem langen, schlichten Gang zu stehen, an dessen Wänden in großen Ziffern Jahreszahlen und Schautafeln mit Listen und Fotos angebracht sind. Die Listen der nach Lodz deportierten Juden erscheinen endlos: Man überfliegt ganze Seiten, behält nur noch Besonderheiten im Gedächtnis. Beruf: Nein. Beruf: Nein. Beruf: Künstler. Sofort sehe ich einen jungen, mageren Mann vor mir. An seinen Fingern getrocknete Tinte - ist er ein Dichter? Oder ein Schriftsteller? Hat er nicht auch etwas Farbe am Hemdsärmel? Ein Maler vielleicht? Oder sind seine Fingerkuppen weich und sensibel? Ein Musiker? Pianist? lch weiß es nicht. lch weiß nicht, wer dieser Künstler war. Denn er ist tot, vergessen von der Welt. Hat er noch entfernte Verwandte irgendwo auf der Welt? Vielleicht. Ich weiß es nicht. Wie muss es gewesen sein, nach einer endlos langen Fahrt in kalten, ungemütlichen Waggons in Radegast angekommen zu sein, aus dem Wagen zu stolpern, die wenigen Habseligkeiten eng an die Brust gepresst? Kniff die eisige Kälte einem in die Wangen? Oder lief der kalte Regen einem über Gesicht und Körper? Wieder weiß ich es nicht. So viele Fragen und doch keine Antworten. Die lnformationstafeln geben wenige Antworten, die meisten Fragen bleiben.



  Florian Hübner, Emden
Radegast: Es ist erstaunlich, wie erdrückend monumental ein Denkmal sein kann. Dieser sich immer weiter verengende Tunnel aus purem Beton ist auf der einen Seite beängstigend, auf der anderen allerdings auch von ganz eigener Schönheit. Auch die vielen, größtenteils verblassten Deportationslisten geben ein eindringliches Bild von den damaligen Zuständen. Chelmno: Besichtigung des wohl ersten Vernichtungslagers in Osteuropa. Es ist erschreckend zu hören und zu sehen, wie die Nationalsozialisten Optimierungen zur systematischen Vernichtung jüdischer Menschen betrieben haben. Das ist einfach nur noch krank. Welch geistig gesunder Mensch setzt die ldee um, einen ,,Grill" zu entwickeln, auf dem die toten Körper von Juden verbrannt werden, der eine Knochenmühle erfindet und das Knochenmehl als Düngemittel an ortsansässige Bauern verkauft?


  Lisa Bruinjes, Emden
Wir besuchten das Staatsarchiv in Lodz, um dort den Weg der letzten Emder Juden zu verfolgen. Wir haben viele Postkarten gefunden, wobei die Schrift nicht immer leserlich war. Viele haben über Hunger in den Gettos berichtet, andere fragten ihre Angehörigen um Geld und wiederum andere beruhigten sie, indem sie schrieben, dass sie gesund wären. Doch alle waren voller Hoffnung, denn sie erwarteten eine Antwort, die nicht kommen konnte, weil die Deutschen die Karten nicht abgeschickt haben. lch finde es bemerkenswert, dass viele doch versucht haben, ihre Angehörigen zu beruhigen, obwohl wir wissen, wie die Umstände in den Gettos waren.


  Malte Schoon, Emden
Wir fuhren von Lodz eine gute Stunde mit dem Bus nach Chelmno. Auf der Hinfahrt war die Stimmung gut. Die Musik war laut, es wurde viel geredet und gelacht. Dies änderte sich als wir im Vernichtungslager ankamen. Außer ein paar Gebäuden, einer Schotterfläche und ein paar Grundmauern war an diesem Ort nicht viel zu sehen, dachte man. Als aber der dortige Ausgrabungsleiter anfing zu erzählen und von den Gräueltaten berichtete, welche an diesem Ort verübt wurden, verschlug es auch dem Letzten die Sprache. Er berichtete von 240.000 ermordeten Menschen, von kaltblütiger Planung und Durchführung. 240.000, eine Zahl, die keinen Platz zur Betrachtung von Einzelschicksalen lässt, glaubt man. Wir sahen ein lnterview von einem von insgesamt nur 5 Überlebenden. Der Mann erzählt von seiner Arbeit im Lager. Wie er als 13-jähriger Zahngold von Zähnen oder von Kieferresten trennen musste und wie er die Kleidung von Tausenden sortieren musste. Dabei fielen ihm eines Tages die Papiere seiner eigenen Mutter in die Hände und nun musste er sich als 13-jähriger vorstellen, wie seine Mutter im Gaswagen verzweifelt um ihr Leben kämpfte, ihr Leichnam gerade wenige Kilometer weiter verbrannt wird, ihre Knochen gemahlen und als Düngemittel verkauft wurden. Es läuft einem wirklich eiskalt den Rücken hinunter.



margarita stumpf  Margarita Stumpf, Emden
lm Staatsarchiv Lodz haben wir mit unseren polnischen Austauschschülern Postkarten von jüdischen Opfern gelesen. Diese Postkarten waren eigentlich gedacht für Bekannte oder Familienangehörige, doch die Briefe wurden nur eingesammelt und kamen nie an. Eine Postkarte war verfasst worden von einer Frau Wagner, die lhren Bekannten erzählte, dass Sie lhren langjährigen Freund heiraten wird, einen Tag nach der Hochzeit schrieb der Ehemann von der Hochzeit. Wenn man sich wieder vorstellt, dass diese armen Menschen trotz der Umstände versuchten ihr Leben zu leben, weil Sie nämlich die Hoffnung hatten, bald wieder in lhrer Heimat zu sein, macht mich das sehr traurig. Viele Postkarten waren von den Nazis, als ,,unzulässig" gekennzeichnet, da sie wahrscheinlich inhaltlich zu viel von den Lebensbedingungen erzählten. Die meisten Briefe waren jedoch voller Hoffnung und Bitten, nach Antwort, aber auch nach Geld und Essenspaketen. Man liest, spricht und hört viel von der Zeit der Judenverfolgung. Doch wenn man direkt an dem Ort der Tat steht, wird es einem erst richtig bewusst, was in dieser Zeit geschah. Es bleibt ein Gefühl von Trauer, Schrecken und Unverständnis.


  Natalja Fertich, Emden
Am letzten Tag unserer Studienreise haben wir die Gedenkstätte in Chelmo besucht. Dieser Besuch, der hat mich wirklich berührt. lch wusste zwar schon davon, was für schreckliche Sachen mit Menschen gemacht worden ist, aber wenn man vor Ort ist und auch nochmal alles erzählt bekommt, hat man die Bilder vor Augen und man ist einfach geschockt. Es ist widerlich, was die Menschen gemacht haben. Wir sind außerdem zu den Massengräbern gefahren. Dort haben wir sogar Menschenknochen gefunden, die eigentlich wie kleine, weiße Steine aussehen. Die Fahrt nach Lodz war eine gute aber auch eine schockierende Erfahrung. Den Besuch in Chelmo werde ich mit Sicherheit nie vergessen.



  Dang Thu Huyen, Emden
Am Montag haben wir die polnischen Austauschschüler kennengelernt und mein erster Eindruck war, dass sie sehr nett sind. Wir waren anschließend in der Stadt, auf dem jüdischen Friedhof und im Gebiet des Gettos. Am besten hat mir der Grillabend am Mittwoch gefallen. Wir haben Volleyball gespielt und ich glaube, dass die Freundschaft zu den polnischen Schülern dadurch stärker geworden ist. Der Besuch der Gedenkstätte in Chelmno war für mich das intensivste Erlebnis während der ganzen Fahrt. Es war der Ort, an dem man ständig eine Gänsehaut hatte. Manchmal fühlte ich so, als würde das grausam Geschehene nochmals vor meinen Augen ablaufen. Es ist einfach schrecklich zu sehen, wie die Deutschen damals mit den Juden umgegangen sind. Meiner Ansicht nach ist die Fahrt nach Lodz gut gelungen. lch finde die Reise sehr hilfreich, denn ich habe viel von Polen kennengelernt, nicht nur über die Geschichte. Auch der Kontakt zu den Menschen hat mir viel gegeben.


Aleksandra T., Lodz
Das Ziel des Austausches war es, zusammen mit den Schülern aus Deutschland lnformationen über die Juden aus Emden zu finden. Deswegen gingen wir alle z.B. ins Archiv, um nach Postkarten der deutschen Juden zu suchen. Wir besichtigten auch Lodz und alle Plätze, die mit der jüdischen Geschichte verbunden sind. Am Ende des Austausches fuhren wir nach Chelmno, wo sich im 2.Weltkrieg ein Konzentrationslager - eine Todesfabrik befand. Außerdem lernten wir einander besser kennen, zum Beispiel während eines Grill- oder Kegelabends. lch freue mich sehr, dass ich die Gelegenheit hatte, mit ausländischen Schülern zu sprechen und vielleicht auch neue Freundschaften
zu schließen.



Zuzanna P., Lodz
Während des Schüleraustausches im Mai suchten wir nach den Spuren der Juden aus Emden. Der Bahnhof von Radegast ist die Station, wohin die Juden aus Emden gebracht wurden. Dort kann man Transportbriefe aus der Zeit, in welcher das Ghettos bestand, sehen. Wir gingen auch in das Staatsarchiv. Mit unseren Austauschpartnern recherchierten wir Postkarten,die von 1941 bis 1942 geschrieben worden sind. Am Freitag fuhren wir nach Kulmhof an der Nehr, wo die Nazis 1941 ein Vernichtungslager eingerichtet haben. Die Atmosphäre an diesem Ort war sehr deprimierend. lch war mir vorher nicht bewusst, dass es dort noch so viele persönliche Gegenstände der ermordeten Leute gibt. Wir konnten Tassen, Schmuck und Kosmetiksachen sehen. lch meine, dass niemand von uns erwartete, dass die Reise auf uns einen so großen Einfluss haben würde. Dieser Ausflug war sehr aufschlussreich für uns. Wir lernten viel über die Geschichte der früheren Generationen und ich hoffe, dass sich das in der Zukunft auszahlen wird.



Karolina K., Lodz
Das Ziel des Deutsch-Polnischen Schüleraustausches war die Suche nach den Spuren der 1941 nach Lodz deportierten Juden aus Emden. Sowohl die deutschen als auch polnischen Schüler hatten lnteresse, die Geschichte der Leute kennenzulernen. Wir fingen mit dem Besuch auf dem Jüdischen Friedhof an, wo wir viele Gräber sehen konnten. Der andere interessante Platz war die Radegaststation, der Ort der Ankunft der Juden in Lodz. Die nächste Etappe war der Ausflug in das Archiv. Wir kamen dorthin mit der Absicht, die Briefe und Postkarten von den Leuten, die im Ghetto gewohnt haben, zu lesen. So konnten wir sehen, wie das Leben damals im Ghetto ausgesehen hat. Zuletzt fuhren wir nach Kulmhof wo sich das Vernichtungslager in der Zeit des Zweiten Weltkrieges befand. Dieses Erlebnis war für uns sehr traurig, aber auch aufschlussreich. Es war sichtbar, dass alle Schüler berührt waren. Abgesehen von den Besichtigungen verbrachten wir viel Zeit gemeinsam, um uns näher miteinander bekannt zu machen. Für mich war der Schüleraustausch sehr gelungen. lch hoffe, dass unsere Freunde aus Emden meine Meinung teilen. lch freue mich schon auf den Besuch in ihrer Stadt.



Maks M., Lodz
Zuerst haben wir die Schüler aus Emden bei unserer Schule begrüßt und uns kennengelernt. Dann fuhren wir zur Station Radegast und hörten viel über das Ghetto Litzmanstadt. Danach sind wir zum Jüdischen Friedhof gegangen und haben das Feld für die vielen Ghettoopfer gesehen. Zwei Tage waren der Arbeit in dem Staatsarchiv gewidmet, wo wir nach Spuren der Juden suchten, die von Emden nach Lodz deportiert worden sind. Wir recherchierten alte Postkarten auf den Mikrofilmen. Das fand ich sehr interessant. Am Freitag sind wir nach Chelmno gefahren. Da sind wir über die Opfer des Vernichtungslagers informiert worden. Für uns waren auch die Freizeitaktivitäten sehr interessant. Wir sind ins Einkaufszentrum Manufaktura gegangen und da haben wir gekegelt. Wir hatten auch gemeinsam Unterricht und der machte viel Spaß.



Mikolaj P., Lodz
Während des Austauschprogramms fuhren wir unter anderem zum Bahnhof Radegast und zum jüdischen Friedhof. Wir gingen ins Archiv, um nach Spuren der Juden aus Emden zu suchen. An einem Tag begaben wir uns nach Chelmno, wo das Vernichtungslager war. Wir hatten auch gemeinsam Deutschunterricht. Polnische Schüler lasen deutsche Zungenbrecher und die Deutschen lernten polnische Sätze. Den Unterricht zu Stereotypen in den Verhaltensweisen der beiden Nationen fand ich sehr interessant. Eines Abends machten wir zusammen ein großes Lagerfeuer außerhalb der Stadt, wir aßen und spielten Volleyball. Den ganzen Austausch finde ich Klasse!

Newsbox News01


 

polski / polnisch

 

Projektpublikation - 9,00€
Verkaufsstellen:
Stadtarchiv Emden
Landesmuseum Emden
BBS II Emden







 


Das Projekt "Eine Reise nach
Lodz" ist eingebunden in die
Aktionssreihe  Reise ins
Jüdische Ostfriesland im
kulturtouristischen Themenjahr
Land der Entdeckungen 2013


 

Powered by CMSimple| Template: ge-webdesign.de| html| css| Login